Der Geisterfall
Bericht eines Betroffenen
Über sehr lange Zeit ist der entstehende Geist in Gesetzmäßigkeiten eingebunden. Freiheit ist für einen jungen Geist etwas gänzlich Neues. Es ist für ihn unwahrscheinlich verlockend, etwas anderes zu tun, als das, was vom Schöpfungsplan her zu erwarten ist.
Gott zum Gruß, auch euch, die ihr im geistigen Bereich als Zuhörer heute Abend anwesend seid. Für euch ist das augenblicklich Stattfindende ein erstmaliges Erlebnis. Wir haben eine Brücke in einen Bereich geschlagen, das die Menschen als ihr „Diesseits“ bezeichnen. Von uns aus gesehen kann man das auch als unser Jenseits bezeichnen.
Für uns ist das irdische „Diesseits“ ein ganz elementarer Anteil unseres persönlichen Reifungsweges. Für denjenigen, der diese Zusammenhänge noch nicht ganz überschaut, ist das irdische „Diesseits“ in vielen Fällen etwas, vor dem er sich scheut, das für ihn Belastungen und unangenehme Zwangserfahrungen mit sich bringt. Oder es ist für ihn etwas, was ihm die Möglichkeit gibt, zeitweise aus der jenseitigen Monotonie zu entweichen. Je nachdem wo der Einzelne steht, wird er das „Diesseits“ und das „Jenseits“ anders beurteilen. Welchen Blickwinkel hat nun der reife, im Willen Gottes lebende Geist?
Alle Umstände eures Lebens sind letztlich Folgen des Geisterfalles. Dies war jener Augenblick, indem sich Geschöpfe aufgrund des ihnen gegebenen freien Willens von Gott trennten, um eigene Wege zu gehen. Wenn Ihr nun in eurem eigenen tiefsten Ich sucht und nachforscht, dann ist es euch unmöglich, diesen Augenblick gefühlsmäßig nachzuvollziehen. Ihr sagt euch: „Wie soll ich denn so dumm gewesen sein, ja kann denn jemals überhaupt ein Geist so dumm sein. Dieser Geist lebte doch in Harmonie und Vollkommenheit. Er kennt nur das Schöne, das Vollkommene, das Reine. Und derjenige soll sich aus dieser Harmonie freiwillig lösen, um in eurer disharmonischen Welt zu leben? So dumm kann doch ein Geschöpf Gottes gar nicht sein.“
Diese angesprochenen Gedanken sind ein Problem für alle, die hier versammelt sind. Geister wie Sie bekommen diesen Gedanken des Geisterfalles irgendwann einmal angeboten, wenn sie in ihrem Denken an eine Grenze stoßen und sich fragen, warum diese enorme Diskrepanz der Intelligenz und charakterlichen Reife zwischen der Vielzahl der Einzelpersönlichkeiten möglich ist. Mit diesem Gedanken des Geisterfalles bekommen Sie, liebe Zuhörer, eine Hypothese, die Ihnen einige Ihrer Fragen beantwortet.
Was können Sie nun mit dieser Hypothese anfangen? Es gibt viele, die lehnen sie ab, weil sie sich nicht vorstellen können, einmal so dumm gewesen zu sein. Aber wie kann man sich auch das Unvorstellbare vorstellen? Wie soll man sich vorstellen, dass ein vernunftbegabtes Wesen sich aus der allumfassenden Harmonie herauslöst, um sich in ein disharmonisches Chaos hineinfallen zu lassen? Ich habe mich lange mit diesem Problem beschäftigt und glaube, diese Fragen beantworten zu können.
Anfangen will ich mit den Zeiten, als alle Dinge noch in Ordnung waren. Jedes Geschöpf hatte seinen Aufgabenbereich, von dem es erfüllt war. Es erkannte seine Lebensziele im schöpferischen Plan entsprechend seinem Entwicklungsstand. Es sind Welten voller Harmonie, Frieden, Schönheit und Zufriedenheit. In diesen Welten gibt es nichts Disharmonisches. Es gibt nur die schönsten Dinge in den vielfältigsten Variationen und nirgendwo etwas Hässliches. Ja, es gibt überhaupt keinen Begriff, der Hässliches ausdrücken könnte. Die Geister kennen die Gesetze, nach denen sie ihre Schöpfungen ablaufen lassen können. Diese Gesetze sind Richtschnüre. Jeder Geist erlernt sie und arbeitet damit wie mit Betriebsanleitungen. Aber keine dieser Betriebsanleitungen sagt, was passiert, wenn man einmal genau das Gegenteil macht. Dies ist auch gar nicht interessant, denn man hat ja ein bestimmtes Ziel vor Augen, und man weiß, dass dieses Ziel erreicht wird, wenn man diese und jene Richtlinie befolgt. Alles, was ein Geist auf diese Weise erschafft, passt vollkommen und harmonisch in die Schöpfung anderer hinein. Jeder Geist findet alles, was er für seine Schöpfungen benötigt, in unbegrenztem Umfang in seiner Umgebung. Es ist verständlich, wenn niemand einen Begriff von Not, Kummer oder Sorge hat.
Das geht so weiter über unvorstellbare Zeiträume (Anmerkung der Redaktion: Damit ist keine irdische, physikalische Zeit gemeint, sondern das gleichnishafte Adäquat in transzendenten geistigen Welten). Aus diesen Zeiträumen erwachsen starke Gewohnheitskräfte. Die Geister erahnen und erspüren ganz genau, was und wie etwas ablaufen muss, damit es noch schöner und noch vollendeter wird.
Jetzt kommt irgendwann der entscheidende Augenblick, in dem sich ein Geist fragt: „Was ist eigentlich die vollkommene Freiheit? Es ist ja alles sehr schön, was um mich herum geschieht. Ich befolge den Schöpfungsplan und ich weiß, ich werde morgen wieder etwas Schönes schaffen und erleben. Aber was wäre eigentlich, wenn ich nicht das tue, von dem ich aufgrund der mir bekannten Gesetzmäßigkeitenweiß, was passiert. Ich möchte doch einmal wissen, was dann ist, wenn ich einmal nicht das tue, was ich von der Logik her tun müsste oder wenn ich genau das Gegenteil tue.“
Es gibt überhaupt niemand, der ihm sagen kann, was dann sein würde. Er fragt alle seine Freunde: „Was wäre eigentlich, wenn ….? Ich weiß wohl, diese oder jene Molekularstruktur gehört zu diesem bestimmten Samen. Ich weiß, es wird dann eine Blüte entstehen, die größer ist als die Blüte der Pflanze vorher. Oder ich weiß, die Form der Blüte wird mit dieser oder jener Art vielfältiger. Und ich weiß ganz genau, die Pflanze passt an diesen oder jenen Ort. Ich kenne, wenn ich etwas verändere, die entstehenden Eigenschaften ganz genau. Aber kann mir irgendeiner sagen, was passiert, wenn ich den Grundplan, der mir vor Urzeiten gegeben wurde, einmal nicht befolge?“ Man befragt sich weiter im Freundeskreis: „Sag mal, kannst du Dir vorstellen……?“ Die Antworten laufen alle auf ein Schulterzucken hinaus: „Das habe ich noch nie probiert, es wird schon seinen Sinn haben mit dem Grundplan, und ich habe auch noch nirgendwo etwas anderes gesehen.“
Es fällt Ihnen, liebe Zuhörer, im Moment sicher schwer, sich das alles vorzustellen. Aber wir haben es hier mit Geistern zu tun, die niemals etwas Negatives kennengelernt haben, die überhaupt nicht wissen oder auch nur ahnen, was unschön ist. Sie kennen nur die vielfältigsten Variationen des Harmonischen und Vollkommenen – und sie sind freie Geister. Dies wurde ihnen immer wieder ganz deutlich gesagt: „Es liegt in eurer Entscheidung, wie Ihr euch entfaltet, was Ihr tut, was Ihr wählt, welchen Weg Ihr geht.“ Auf den Gedanken, genau das Gegenteil von dem zu tun, was von der logischen Planung her zu tun wäre, kommt über lange Zeiträume hinweg überhaupt niemand. Aber nun ist es doch geschehen. Es ist aber nirgendwo einer, der warnt. Es gibt nur zwei Arten von Reaktionen. Einmal die, die eine gewisse Risikobereitschaft —— nein, so kann man das nicht sagen —- noch weiß ja niemand, was ein Risiko ist und dass dieser neue Weg dies in sich birgt. Es gibt die Geister, die dem Grundplan treu sind, und die Geister, die einfach neugierig sind, was passiert, wenn ein Plan nicht so abläuft, wie er vorgegeben wurde. — Es kann ja ein Geheimnis dahinter stecken. Vielleicht ist das die nächste Stufe in der Entwicklung der Geister. Die Belohnung für den, der beginnt, einmal wirklich selbständig zu denken, liegt vielleicht darin, nicht mehr blind den vorgegebenen Prinzipien zu folgen, um so die nächste Stufe der Freiheit zu erlangen.
Die Sache wird langsam interessant. Dieses Neuland ist bisher von niemandem betreten worden. Es werden Pläne geschmiedet und Möglichkeiten erdacht. Es wird vermutet, was entstehen könnte. Die Sache wird immer spannender, und nichts ist verboten. Auch ist nicht bekannt, dass diese Pläne gefährlich sind —- aber so kann man es eigentlich nicht ausdrücken, denn in der Vollkommenheit gibt es weder den Begriff Verbot, noch den Begriff Gefahr.
An dieser Stelle könnten Sie, liebe Zuhörer, einwenden: „Dies hätte doch der Schöpfer voraussehen können und den Geschwistern die möglichen Folgen ihrer Gedanken vor Augen führen müssen.“
Dazu aber hätte der Schöpfer eine Welle negativer Gedanken und Seelenzustände erschaffen müssen. Dies aber wäre noch viel gefährlicher gewesen. Hier spielen sehr viele Dinge mit hinein, und ich will versuchen, dies zu verdeutlichen.
Über sehr, sehr lange Zeiträume ist der entstehende Geist in Gesetzmäßigkeiten eingebunden. Vom Mineralreich angefangen bis hinein in den Bereich der elementaren Kräfte ist er an eine feste Ordnung gebunden, der er sich nicht entziehen kann. Es vergehen weitere Äonen im Pflanzen- und Tierreich. In dem Moment, wo er zum freien Geist wird, ist dies für ihn ein Leben in erweiterten Gesetzmäßigkeiten. Aber er ist es überhaupt nie gewohnt gewesen, etwas zu tun, was nicht vorgeplant worden ist. Er hatte zwar einen großen Spielraum im Gestalterischen und Schöpferischen gehabt, aber die Grundlinie ist ihm immer vorgegeben worden. Für einen solchen Geist ist es unwahrscheinlich verlockend, einmal etwas anderes zu tun, als das, was logisch und vom Prinzip her zu erwarten ist.
Nun, ich glaube, meine lieben Zuhörer, Sie beginnen zu verstehen, warum es zum Fall gekommen ist. Diese Versuche, die nicht nach den göttlichen Prinzipien abliefen, brachten völlig unerwartete und ungewollte Ergebnisse und Erfahrungen hervor. Es entstand zum ersten Mal in der Schöpfung etwas Unharmonisches. Nun ist es nicht leicht, mit diesen Schöpfungen vor das Angesicht derer zu treten, die in ihrer Prinzipientreue den vorgegebenen Weg weitergegangen sind. Ja, noch ein völlig neues Problem taucht dabei auf: Zum ersten Mal stehen sich Geister gegenüber, bei denen das Gefühl unterschiedlicher Wertigkeit entsteht. Ein Geist stellt in der Begegnung mit einem anderen fest: Dieser Bruder hat nicht etwas geschaffen was harmonisch ist, sondern etwas Unharmonisches. Er hatte ja gar keinen ausreichenden Überblick über das, was er tat. In dieser Konfrontation können Seelenregungen wie Überheblichkeit oder mitleidvolles Herabblicken auf der Seite derer entstehen, die treu ihren Weg weitergegangen sind. Es tauchen unreine Gedanken- und Seelenregungen bei den völlig unvorbereiteten und ganz harmonischen Geschöpfen auf. Die harmonischen, in der göttlichen Ordnung lebenden Geister waren die Auseinandersetzung mit Unschönem überhaupt nicht gewohnt. Manche ihrer Reaktionen wussten sie als Beginn der Lieblosigkeit in ihrer negativen Wertigkeit noch gar nicht einzustufen.
Besteht nicht gerade das größte Problem in der Berührung zwischen diesen ersten disharmonischen Schöpfungen und der geordneten Welt? Dem ist in der Tat so. Um zu verhindern, dass dieses beginnende Chaos nicht die ganze restliche Schöpfung mehr oder weniger mitreißt, wurde die nächste Sonnenstufe gestaltet, um die Geister voneinander zu isolieren.
Nun gehen die erfahreneren und reingebliebenen Geister auf diese ersten verdichteten Stufen und versuchen den Geschwistern dort zu helfen. Und was hören sie dort? „Wenn man etwas gänzlich Neues schaffen will, dann muss ja nicht gleich der erste Versuch den Erfolg bringen.“ Oder: „Es kann ja der erste Versuch eine Erfolgszwischenstufe sein. Ist es nicht häufig so in der Schöpfung? Sieht ein Samen oder eine Zwiebel nicht eher bescheiden aus? Wer würde vermuten, dass daraus so herrliche Pflanzen entstehen? Man kann doch nicht gleich sagen, dass dieser erste Versuch einer anderen Welle schöpferischer Gestaltung negativ ist.“ ——– Doch halt, diesen Begriff kennt man ja auch noch nicht. Man hat überhaupt Schwierigkeiten, sich über das, was jetzt auf dieser Stufe abläuft, auszudrücken. Man kann dem anderen nicht einfach sagen: „Was du da machst, ist negativ, schlecht oder gefährlich“. Man kennt weder Negatives noch Schlechtes noch Gefährliches. Man kann sich nur das Gefühl mitteilen, dass es doch wohl besser sei, im schöpferischen Plan zu bleiben.
Aber das hat nicht viel Überzeugungskraft auf die, die jetzt das Ergebnis eigenen, neuen, völlig anderen Gestaltens in Händen halten. Natürlich sind sie anders, ungewohnt anders, diese neuen Schöpfungen. Aus der heutigen Sicht können wir erkennen, dass es die ersten Ansätze des Hässlichen waren, die diese Schöpfungen so anders aussehen ließen. Aber sie waren sehr eindrucksvoll und vielleicht der Anfang für etwas noch viel Faszinierenderes. Man sollte diesen Weg weitergehen. Der Versuch ist ja noch lange nicht am Ende und außerdem hat diese höhere Verdichtungsform, in der man sich jetzt befindet, einige gestalterische Vorteile. Die Materie ist langsamer, träger und schwerer formbar als die Materie der unverdichteteren Stufen. Es ist eine ganz neue Erfahrung mit dem neuen Werkstoff. Man kann ganz andere Gesetzmäßigkeiten zum Ausdruck bringen. Es ist durchaus interessant auf dieser ersten verdichteten Entwicklungsstufe. Nein, wirklich, sie bietet eine Reihe reizvoller Anstöße, so dass sogar Geister, die sich bisher in vollkommen harmonischen Bahnen bewegten, nun doch Gefallen daran finden.
Noch ist nicht eindeutig zu sagen: „Wer sich auf dieser ersten Verdichtungsstufe befindet, ist ein unreiner oder gefallener Geist“. Nein, es sind Geschwister, die sich eben in einer anderen Schöpfungswelle bewegen. Aber irgendwie scheint es nicht dem Schöpfungsplan zu entsprechen —– aber nein, man kann auch nicht sagen, es sei nicht der Wille des Schöpfers. Der Wille des Schöpfers ist weder befehlend noch drängend oder gar begrenzend. Der Wille des Schöpfers lässt dem Geschöpf Freiheit.
Wenn man sich nun in die nächste Entwicklungsstufe hineinarbeitet, wird alles eigentlich noch viel interessanter. Die Stofflichkeit der Materie ist noch dichter. Die Farben der Pflanzen und anderer Schöpfungen verlieren zwar an Vielfältigkeit, aber sie nehmen an Kraft und Energie zu. Sie sind blendend und hell. Das ist unwahrscheinlich reizvoll und noch lange nicht das, was wir heute als böse bezeichnen würden. Das Böse entsteht ganz anders, nämlich in dem Moment, in dem der eine ganz gerne wüsste, wie der andere seine Schöpfung entwickelt hat. Früher war das einfach gewesen. Alle sind dem generellen Plan gefolgt und jeder konnte das auch erreichen, was der andere tat, wenn er es wollte. Aber jetzt war die Situation anders. Es gab keinen Plan und keine Richtlinie mehr. Man sah beim Nachbarn eindrucksvolle und faszinierende Schöpfungen im Pflanzen- und Tierreich. Wie hatte er das geschafft?
Oft wusste dieser es selbst nicht genau, weil er noch lange nicht übersah, was er durch sein Wirken an Gesetzmäßigkeiten auslöste, die ihm gar nicht bekannt waren. Es war ja völliges Neuland. Es gab nichts, wo man hätte nachschauen, kontrollieren oder vergleichen können.
Ach ja, da war noch die Sache mit diesen Beratern, den Geschwistern aus den anderen Schöpfungsbereichen, die immer wieder von neuem kamen und darauf hinwiesen: „Schaut, ihr bewegt euch hier auf einem nicht vorgeplanten Weg. Ihr tut etwas Ungewohntes, das nicht im Schöpfungsplan liegt.“
Aber kann man mit solchen Argumenten Geister überzeugen, die von ihren neuen Ideen fasziniert sind? Sie sind von dem begeistert, was sich bei ihnen tut. Es gibt nichts Vergleichbares in der ganzen Schöpfung.
Ja, da ist auch noch die Sache mit den anderen Geschwistern, die ebenfalls versuchen völlig neue Schöpfungen hervorzubringen. Es entsteht eine unwahrscheinlich große Vielfalt an neuen Schöpfungsvarianten. Es entstehen nun kleine Probleme im Erfahrungsaustausch. Man beginnt die Schöpfungen des Nachbarn zu beobachten, wenn der sich gerade unbeobachtet fühlt. Außerdem hat man ja selbst etwas noch nie Dagewesenes geschaffen und das brauchen die anderen ja nicht gleich nachzumachen. Was wäre denn das für eine Vielfalt, wenn der andere doch wieder das Gleiche täte. Also gestalten wir unsere Schöpfungen so, dass der andere nicht gleich alles durchschaut. Und wenn er schon genau nachfragt, wie wir das so gemacht haben —– nun, entweder wissen wir es selbst nicht genau oder wir sagen ihm, ohne es zu wollen, etwas Falsches. Man lügt zwar nicht, aber man sagt es nicht ausreichend genau. Es ist der Anfang der Lüge. Aber zu dieser Zeit weiß man nicht was eine Lüge ist. Für diese kleinen, fast unmerklichen Varianten der Wahrheit hat man immer noch keinen Begriff.
Auch die Zeit ist eine völlig neue Erfahrung. In der zweiten Verdichtungsstufe beginnt sie allmählich bemerkbar zu werden. Die Dinge laufen zeitgebundener ab. Das ist auch ganz logisch. Solange sich etwas im Zentrum dreht, ist es zeitlos. Wenn es sich daraus entfernt, sind Streckenabschnitte erkennbar. Zum ersten Mal bemerken Geister, dass zwischen ihnen und ihren Schöpfungen ein Zeitabstand besteht. Diese völlig neue Erfahrung hat weitreichende Folgen. Bemerkt ein Geist, dass eine Pflanze zu schnell wächst, so wird er sie beeinflussen. Aber in der nun vorhandenen Zwischenzeit ist sie schon weitergewachsen. Chemische Prozesse laufen in einer Geschwindigkeit ab, dass man ihnen mit den eigenen gedanklichen Prozessen zeitlich nicht mehr gewachsen ist.
Von der Gesetzmäßigkeit her ist das eine ganz einfache und logische Situation: Hat sich der Geist in seiner Gedankenstruktur mehr verdichtet, als die Materie, die er bearbeiten will, so kann er ihren Abläufen zeitlich nicht mehr nachkommen. Die Konsequenz: Der Geist sehnt sich nach einer noch verdichteteren Materie, die träger reagiert als die eigenen Gedankenprozesse ablaufen, damit er sie wieder steuern kann.
Es entstehen auch ganz neue, zwischenmenschliche Probleme. Man entdeckt, dass der Partner des anderen der eigenen gedanklichen Vorstellung recht nahe kommt, während die eigene Gefährtin inzwischen ganz andere Blickwinkel und Gesichtspunkte hat. Man löst sich aus der gewohnten Verbindung. Ist denn die bisher gelebte Dualität nur eine Gewohnheit? Gehen einem nicht erst jetzt so richtig die Augen auf? Ist es denn nicht viel interessanter und aufregender, sich mit verschiedenen Partnerinnen zu beschäftigen als nur mit einer, die immer gleichmäßig das reflektiert, was man im Prinzip selbst auch will? Liegt das Geheimnis nicht gerade in dem extrem Gegensätzlichen?
Das sind Gedanken, auf die man früher überhaupt nie gekommen ist. Ob das nun böse Gedanken sind? Aber die Geister haben immer noch keinen Begriff des „Bösen“ entwickelt. Natürlich entstehen ab und zu Spannungen, ungewohnte Momente, wenn da einer zum anderen sagt: „Lass diesen Raum bitte mir zum Arbeiten, ich brauche ihn jetzt“.
Früher gab es solche Situationen nicht. Aber je mehr sich die Materie verdichtet, desto mehr begrenzt sich der Raum, der dem Geist zur Verfügung steht.
Langsam gibt es noch weitere Probleme. Man hat nun auch Schwierigkeiten mit der Ernährung. In den harmonischen Welten passen die für jedes Geschöpf notwendigen Nahrungsbestandteile lückenlos in die Schöpfungen anderer hinein. Jeder findet in den geordneten Welten genau das, was er braucht und das in unbegrenztem Umfang. Aber jetzt sind die Pflanzen nicht mehr nur dazu da, die Früchte abzuwerfen, damit die Geister darin Nahrung finden, sondern in diesen Pflanzen sind so manche anderen Interessen entwickelt. Sie möchten nun beispielsweise ganz strahlend helle Blüten mit braunen Punkten hervorbringen. Ob man die Früchte dabei noch essen kann? Ja, warum eigentlich? Der Gedanke kann schon in der Pflanze selbst entstehen, die jetzt auch nicht mehr ganz dem Schöpfungsplan entspricht, oder es kann ein Gedanke des führenden Geistes gewesen sein, der meint: „Warum sollen denn auch alle Pflanzen mich ernähren können? Es sind doch noch so viele andere Pflanzen da, damit ich ernährt werden kann.“ Früher war immer so viel da, dass überhaupt nie überlegt werden brauchte, wer für wen sorgen musste.
Jetzt ist die Sache ins Rollen gekommen. Es dauert auch nicht mehr lange, bis der eine den anderen handgreiflich von seinen Schöpfungen vertreibt, und bis einer das erste Feuer legt, um den Boden für seine eigenen Absichten frei zu machen. Es geht jetzt immer schneller. Aus der Sicht des heutigen Menschen war man noch immer nicht böse. Den Begriff gab es immer noch nicht im Universum.
Aus dem Blickwinkel dieser Ebene stehen jedoch die in der Harmonie gebliebenen Geister nun schon ganz oben und man versteht sich nicht mehr. Die Erfahrungen und damit die Begriffe sind so unterschiedlich, dass jetzt in der vierten und fünften Stufe Ratschläge gar nicht mehr von ganz oben kommen können. Sie können immer nur von denen kommen, die eine Stufe höher sind. Letztlich hofft die in der göttlichen Ordnung gebliebene Schöpfung darauf, dass es so nicht weitergeht. Es ist zu diesem Zeitpunkt unmöglich, diese ins Rollen gekommene Lawine zu bremsen. Es sind einfach nicht die Geistkapazitäten da, die in der Lage wären, hier zu überzeugen und zu beeinflussen. Da müssen erst einmal Lehrer heranreifen und ausgebildet werden. Aber von wem denn? Woher sollen sie auch kommen, wo man noch nicht klar genug erkannt hat, was Gut und Böse ist. Es soll niemand sagen, an der Spitze hätte da einer gestanden, der Luzifer hieße und der gewusst hätte, dass alles schlecht werden musste und der geplant alle ins Chaos geführt hätte.
Aber nun sind wir hier in der sechsten Verdichtungsstufe. Jetzt geht es schon so weit, dass wir, um selber zu leben, dem anderen sein Leben schwer oder gar unmöglich machen. Die Frage sei dahingestellt, ob nicht ein im harmonischen Bereich gebliebener Geist in dieser Situation nicht auch versagen würde. Es geht aber jetzt nicht um die Frage, ob die anderen nun bessere Wesen sind als wir. Ich für meinen Fall glaube nicht, dass die Geister aus den harmonischen Bereichen bessere und erfahrenere Geschöpfe sind als Sie und ich hier. Wohl haben sie ein einfacheres Leben hinter sich und in dieser Zeit leichter viele Dinge mehr gelernt als wir. Auch werden uns die Erfahrungen, die wir hier gemacht haben, in der Harmonie nicht weiterhelfen. Denn dort ist es nicht nötig, sich um das tägliche Brot zu streiten. Aber auf jeden Fall sind wir so klug geworden, einen erneuten Fall nicht wieder mitzumachen. Denn das, was wir als Geisterfall bezeichnen, ist keine einmalige Angelegenheit gewesen. Das ist ein Problem, mit dem sich die harmonischen Welten Tag für Tag auseinandersetzen müssen. Und wenn heute dort weniger Geister fallen als noch vor Äonen, dann liegt das doch nur daran, dass Geister, die wie wir einmal gefallen waren, ganz klar und überzeugend zu schildern und vorzuführen vermögen, wie das aussieht. Also letztlich gesehen ist die Stabilität der Harmonie in den Händen derer, die einmal gefallen sind und diese Erfahrung gezielt zu vermitteln vermögen.
Damit habe ich das Entscheidende für alle gesagt: Jeder der hier Anwesenden hat die Möglichkeit, für die Harmonisierung und Stabilisierung der gesamten Schöpfung Gravierendes beizutragen. Ich hoffe, dass es Ihnen gelingt, sich zweier Dinge bewusst zu werden. Erstens: Das Fallen als solches ist weder eine Schande noch eine Sünde. Dies ist ein Problem, das wir mit uns selber lösen müssen. Wir werden auch nicht bestraft, sondern wir bekommen nur das zurück, was wir selbst ausgeteilt haben. Zweitens: Es gibt keinen Grund, im Jammer zu zerfließen, weil man diese Zeit vertan hat. Man trägt sozusagen den Marschallstab im Rucksack. Wenn der Rückweg einmal geschafft ist, und das ist mit Gottes Hilfe möglich, kann man einmal ein sehr wichtiges Mitglied in der zukünftigen, harmonischen Gesellschaft werden. So gesehen kann man durchaus den Mut aufbringen, sich vorerst zu den gefallenen Geistern zu zählen.
Ich will mich nun von Ihnen, meine lieben Zuhörer im geistigen und im irdischen Bereich verabschieden, in der Hoffnung, ein ganz klein wenig mehr Klarheit geschenkt zu haben und wünsche allen die Kraft zum Verständnis, was man auch mit Gottes Segen umschreiben kann.
Gott zum Gruß und Jesu Heil.