Variation und Extrem
Das Maß aller Dinge
Das Ziel der Schöpfung ist weder schwarz noch weiß, sondern die farbenfrohe Buntheit dazwischen. Nicht der tiefste oder höchste Ton ist das Wesentliche, sondern die Melodien, die dazwischen liegen. Die Entwicklung einer Vielfältigkeit entspricht dem geistigen Plan, nicht das Erreichen eines Extrems.
Liebe Geschwister,
es gibt viele Dinge, über die Ihr euch im klaren sein solltet, um geistige Dinge besser verstehen zu können. Ihr lebt in einer Welt der Gegensätzlichkeiten. Auch wir, eure Schutzgeister, leben in diesem Bereich. Licht und Finsternis liegen nahe beieinander und bestimmen den Alltag. So ist es verständlich, dass man auch beginnt, in diesen Begriffen wie ‚gut–böse‚ oder ‚richtig-falsch‘ zu denken. Dieses Schema führt aber rasch zu Fehlinterpretationen dieser irdischen Erfahrung. Ich meine damit, daß euch viele Dinge erst in ihrer Schönheit richtig bewusst werden, wenn Ihr den Gegensatz dazu kennengelernt habt. Ihr denkt dann: „Es ist doch eine alte Erfahrung, dass man den Wohlstand nicht zu schätzen weiß, wenn man nie Not gelitten hat. Wer den Krieg nicht erlebt hat, der weiß nicht, was ein richtiger Frieden ist.“ Diese Beispiele können beliebig fortgesetzt werden, und so liegt es nahe, dass Philosophen soweit gehen und sagen: „Das eine kann nicht ohne das andere existieren, der Tag kann nicht ohne die Nacht sein, das Gute nicht ohne das Böse, alles hat im Gleichgewicht zu sein.“
Ja, ist das nun tatsächlich so? Wie war das vor dem Geisterfall? Wie ist das heute in den harmonischen Welten? Gibt es denn da keine Nacht? Ist dort ewiger Frühling, ewiger Sonnenschein? Ein Paradies mit ewig schönem Wetter, wird das nicht langweilig? Müsste es nicht auch dort Gegenpole geben, damit das Ganze an Monotonie verliert? Scheint die Schöpfung durch den Fall nicht bereichert worden zu sein? Ist das Gegensätzliche vom Schöpfer von vornherein eingeplant, sogar notwendig, damit das Gute und Lichte in seiner Schönheit überhaupt erkannt werden kann? Außerdem ist das Gegensätzliche nicht nur hässlich. Ist eine Nacht nicht etwas Wunderbares? Ist nicht ein Sturm etwas Herrliches? Ist das eine nun „gut“ das andere „böse“? Der Tag wechselt mit der Nacht, beide müssen im gleichen Verhältnis zueinander stehen. Verhält es sich mit den guten und den bösen Taten nicht genauso? Ist man vielleicht gar kein richtiges Geschöpf, wenn nicht beides im rechten Verhältnis zueinander steht? An diesen Fragen erkennt Ihr, wie leicht man immer wieder in eine solche Philosophie hineingeführt werden kann, und wie gefährlich diese scheinbare Logik ist. Nun, es ist noch nicht schlimm, das Gegensätzliche und Dunkle ebenso zu erkennen wie das Licht. Aber sobald man sagt: „Wenn keine Disharmonie herrscht und keine Angst, dann vermag niemand die Freude und die Freiheit richtig zu erkennen“, dann ist man in der Erdenphilosophie gefangen.
Liebe Geschwister, es gibt einen Schöpfungsplan. Dieser geistige Plan ist wie eine Grundlinie, nach der sich die ganze Schöpfung ausrichtet. Es ist ein Plan, den Gott für seine Geschöpfe und deren Entwicklung vorherbestimmt hat. Auf diesem Weg erleben sie nur Schönes und Harmonisches. Ihr wisst aber, dass zuviel Licht verbrennt, ebenso wie zuviel Dunkelheit das Wachstum hemmt. Das Geschöpf muss also lernen, sich zwischen ‚zu Viel‘ und ‚zu Wenig‘ in der sinnvollen Mitte auf dem Weg des Schöpfers zu bewegen. Eine schöne Melodie wirkt unharmonisch, wenn sie zu schnell oder zu langsam gespielt wird. Zwischen den Extremen liegt das Richtige und wirklich Schöne. Zur Mitte hin liegen die angenehmeren Variationen. Es kann sein, dass die Melodie schneller gespielt lebendiger, und langsamer gespielt feierlicher klingt. So hat schon eine Pflanze in einem gewissen Rahmen den Freiraum, bestimmte Veränderungen in Farbe, im Duft und in der Form vorzunehmen. Ihr könnt einem Mitgeschöpf, eurer Individualität entsprechend, auf die verschiedenste Art und Weise eure Liebe mitteilen. Hier liegt eure Freiheit. Nicht Gegensätzliches macht das Sein interessant und schön, sondern die Variation des Themas. An den Veränderungen innerhalb dieser Mannigfaltigkeit, die selbst noch nicht disharmonisch oder unvollkommen sind, erkennt Ihr aber das langsame Abweichen vom geistigen Plan in das leicht Hässliche und Disharmonische. Habt Ihr die nötige Sensibilität, so pendelt Ihr euch zur Mitte hin wieder ein, wie jemand, der auf einem Weg fährt, ein bisschen nach rechts oder links abkommt und sich dann wieder bemüht, in die Mitte zu finden. Er muss deshalb nicht in den Straßengraben fahren und dabei Negatives, Gefährliches und Schmerzhaftes erleben, um überhaupt zu merken, dass er wieder in die Mitte muss. Es genügt, wenn er ein bisschen schwankt. Er erkennt an der zunehmenden Harmonie und Schönheit wieder die Mitte und findet seinen Weg. Diese Aufgabe ist der gesamten Schöpfung gestellt. Der Schöpfer stellt euch in einen Bereich, in dem Ihr gestalten könnt und sollt. Entsprechend eurer Entwicklung ist dieser Bereich groß oder klein und sind euch dabei Mitgeschöpfe anvertraut oder nicht. Alle, einschließlich euch selbst, sollen zur Mitte, zum Sein in Harmonie geführt werden.
Eure Aufgabe ist es in allem, was Ihr tut, das rechte Maß zu finden, so daß es eurem Leistungsvermögen entspricht. Schaut, diese Gesetzmäßigkeit spiegelt sich auf dieser Erde untrüglich wider: Ihr könnt Gutes tun und Harmonie verbreiten. Aber es gibt auch Menschen die meinen, sie müssen alles Gute tun, was auf dieser Welt überhaupt getan werden kann. Sie überfordern ihren Körper, sie werden krank und werden durch die dadurch entstehende Stille wieder zur Mitte zurückgezogen. Es gibt natürlich auch die anderen, die zu faul und zu träge sind und sich alles vorkauen lassen wollen. Sie werden vom Leben in Situationen gezwungen, in denen sie mit einem Mal sehr viel kämpfen müssen, um wieder die Mitte zu finden.
Die schwarz-weiß Malerei ist nicht das Ziel der Schöpfung, sondern die Farben dazwischen. Die Vielfalt und nicht das Extrem liegt im geistigen Plan. Nicht schwarz oder weiß haben einen Sinn – beides sind Grenzfarben, die man nicht exakt definieren kann-, sondern die Farben dazwischen entsprechen dem Schöpfungsplan. Nicht der tiefste oder höchste Ton ist das Wesentliche, sondern die Melodien, die dazwischen liegen. Meine Worte könntet Ihr leicht dahingehend fehlinterpretieren, indem ihr sagt: Nicht die Fleißigen und nicht die Faulen sind im göttlichen Plan, sondern die Lauen, die dazwischen stehen, die die Gelegenheitsarbeit lieben.
‚Vollkommenheit‘ im Sinne eines übergangslosen ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ gibt es nur im Bereich der Materie, nicht jedoch in Bereichen, in denen Geschöpfe schon einen kleineren oder größeren Freiheitsraum haben. Wenn es für jede Situation nur genau eine Lösung, eine absolute und exakte Mitte gäbe, dann gäbe es auch nur einen einzigen Typ von Geschöpf, den Universaleinheitstyp, und Ihr wäret alle einander gleich. In einer solchen Schöpfung wäre Freiheit gar nicht möglich. ‚Vollkommenheit‘ im Bereich des Geistes besteht in kleinen und gefühlvoll ausgestalteten Varianten des Schöpfungsweges.
Deshalb konnte ein Geisterfall überhaupt erst entstehen. Wenn es in der Schöpfung ein absolut richtiges Vorbild gäbe, hätte der Fall gar nicht entstehen können. Die sich entwickelnden Geister hätten sich nur einfach auf dieses eine Vorbild ausrichten brauchen, und die nächsten Schritte wären ihnen vollkommen klar gewesen. Die Schöpfung hätte aber am Ende aus lauter Kopien Gottes bestanden – ohne eigene Individualitäten und Unterschiede.
In einer Schöpfung, in der Individualität, Vielfalt und Freiheit herrschen soll, muss auch die Möglichkeit eines Falles liegen. Aber der Fall als solcher, und damit auch euer Fall, ist an sich kein Untergang. Es ist, wie wenn jemand einem Weg folgt und dabei sehr weit davon abkommt. Er erfährt dabei auf eine sehr krasse Art und Weise, wie hässlich es ist, so weit von der Mitte abzukommen. Ein Mensch, der einmal erkannt hat, dass das Ungute und Disharmonische auch häufig unbequem ist, sehnt sich allein schon aus diesem Grund nach dem Guten und Schönen und beginnt das Negative und Disharmonische abzulehnen. Diese Erfahrung hilft ihm dann über alle Zeiten hinweg, sich leichter orientieren zu können. Das heißt, dieser Fall ist eine Notwendigkeit eurer ganz persönlichen Entwicklung. Er ist keine Notwendigkeit für diejenigen, die in ihrer Persönlichkeitsstruktur mehr zur Mitte tendieren. Aber Ihr seid eben solche Geister, die aufgrund Ihrer Freiheit und Entwicklung mehr das Extrem liebten. Und solche Geister wie Ihr brauchen eben einen besonderen Schulungsweg.
Ihr benutzt sehr gerne den Begriff des „gefallenen Geistes“. Dies ist für meinen Geschmack ein etwas unglücklicher Begriff. Der gefallene Geist scheint irgendwo herausgefallen, um dort unten letztlich fast vergessen worden zu sein. Dem ist nicht so. In der ganzen Schöpfung wird der Geisterfall als eine von vielen Entwicklungsmöglichkeiten gesehen. Dieser Weg wird in den meisten Fällen von jungen, in der neuen Freiheit noch unerfahrenen Geistern gewählt und nicht mehr von denen, die über lange Zeiten gelernt haben, die Mitte zu wahren. Deshalb gibt es heute immer weniger Geschwister, deren persönlicher Entwicklungs- und Reifegang über diesen Fall stattfindet.
Geister wie Ihr, die ihr Abweichen von der Mitte erkannt haben und sich mit allen Kräften bemühen zurückzukommen, sind nicht das wirkliche Problem des Falles. Das Kernproblem sind Geschwister, die zwar spüren, dass sie vom Wege abgekommen sind, sich aber nicht bemühen, zur Mitte zurückzukehren. Stattdessen versuchen sie alle, die in ihre Nähe kommen, bei sich zu behalten und in ihnen das Gespür für die Mitte zu vernichten. Auf dem Wege der Inspiration versuchen diese Gegensatzgeister, wie ihr sie nennt, die verschiedensten Philosophien von der Bedeutung des Negativen auf der Erde zu verbreiten. Ihr nennt dies mit Recht satanisch und böse. Um jene Geister müssen wir uns in einer besonderen Art und Weise bemühen. Wir müssen ihnen die Illusion nehmen, dass sie eine tragende Rolle in der Schöpfung spielen, dass ohne ihre Gegensätzlichkeit das Schöne gar nicht wahrnehmbar wäre. Sie fühlen sich sogar als Helden, weil sie bereit sind, ihre Bösartigkeit aufrechtzuerhalten, damit die anderen dadurch das Schöne und Gute zu erkennen vermögen.
Versucht in eurem Leben all den schönen Elementen in rechter Weise, entsprechend Euren Interessen und Neigungen, Raum zu geben. In harmonischen Welten ist man recht bescheiden gegenüber Dingen, die ihr mit persönlichem Eigentum umschreiben würdet. Versteht mich da recht, unendlich reich wird das einzelne Geschöpf dadurch, dass es ständig beschenkt wird. Es wird ja nicht alles zur gleichen Zeit benötigt. Das verhindert, dass jemand um sich herum einen riesigen Berg an Dingen schart, die er augenblicklich gar nicht braucht, ja, die ihn sogar momentan behindern. Auch auf der Erde könnte dies schon verwirklicht werden. Das können euch auch all diejenigen bestätigen, die diese Erde mit ihren Möglichkeiten einschätzen können. Es stünde genug zur Verfügung und es brauchte niemand zu hungern. Es könnte jeder einen ausreichenden Teil von den kleinen und größeren Freuden dieses Erdenlebens haben. Aber sobald jemand anfängt, etwas an sich zu reißen, mehr für sich zu verlangen, sobald er Schlösser und riesige Güter haben muss, schränkt er den Freiheitsraum der anderen ein. Dann entsteht das Problem, daß viele seiner Geschwister gar nichts haben und einige viel zu viel.
Die Bescheidenheit, die Christus meinte, bedeutet in keinster Weise Armut und Erbärmlichkeit, sondern jeder trägt durch seinen kleinen Kristall des Lebens zu dem unendlich reichen Bild bei, an dem sich alle erfreuen. Das ist die große Solidarität, in der jeder seinen sinngebenden Platz findet, in der jeder sich freut, dem anderen etwas zu schenken oder für eine gewisse Zeit zur Verfügung zu stellen. In harmonischen Welten ist es wundervoll, von einem Bereich in den anderen zu reisen, wenn man die Wohnung von Geschwistern selbstverständlich zur Verfügung gestellt bekommt und ganz in die andere Seins- und Schöpfungsatmosphäre eintreten darf, um sie dort zu erleben und zu erfahren. Es ist eine Vielfalt, die nicht geprägt ist durch ein Bild von unsinnigem, persönlichem Reichtum, sondern von bescheidenem Wohlstand. Ich weiß, daß dies alles Begriffe aus dem irdischen Leben sind, die nicht so ganz das kennzeichnen, was ich ausdrücken möchte, aber vielleicht könnt Ihr es gefühlsmäßig erfassen, was ich meine.
So einfach meine Worte auch klingen mögen, überlegt bitte, ob Ihr die Konsequenz für Euren Alltag erkannt habt. Seid Ihr nicht manchmal überaktiv? Zu einem wirklich sinnvollen Sein gehört die Stille und das Nichtstun ebenso, wie der Fleiß und die Konzentration. Wer nicht jeden Tag eine gewisse Zeit in die Stille geht, der hat die Aufgabe dieses Lebens ebenso wenig erfüllt wie derjenige, der sich zu sehr der Muße hingibt. Es gibt viele Facetten des Falles, und viele sind durchaus nicht zerstörerisch. Ihr kennt sicher Menschen, die immer und überall helfen, wo immer sie mit ihren Fähigkeiten gebraucht werden könnten. Auch dies ist in seinem Extrem gefährlich. Mit ihrem Fleiß und ihrer gutgewollten Eifrigkeit hemmen sie ihre Geschwister an ihrer Entwicklung zur eigenständigen Persönlichkeit. Ein junger Geist, der sich entfalten möchte und sollte, kommt gar nicht dazu, weil man ihm jede Möglichkeit nimmt, indem man ihm alles vormacht und nicht zu eigenen Erfahrungen kommen lässt. Das ist genauso negativ wie die andere Richtung, wenn einer alles zerstört, was man gerade geschaffen hat. Beides ist in seinem Extrem schädlich. Alle Tugenden haben ihren Fall nach beiden Richtungen, im Zuviel und im Zuwenig.
Als gefallene Geister befindet Ihr euch weit außerhalb der Mitte. Die Aufgabe ist es nun, im Laufe der Rückentwicklung euch auf diese vom Schöpfer vorgegebene Mitte wieder einzuschwingen. Es kann sein, daß jemand für den Rückweg eine vorläufige Pseudomitte für sich gefunden hat. Diese deckt sich aber noch lange nicht mit der universellen Mitte, die eigentlich für ihn richtig sein wird.
So wird der Fall für jeden eines Tages zu einer ganz wunderbaren Entwicklung. Alle Geister, die gefallen sind, und alle Geister, die sich um Gefallene bemühen, machen eine besonders prägende und eine besonders wertvolle Persönlichkeitsbildung durch. Diese wird in späteren Zeiten in der Schöpfung ein sehr wichtiges, stabilisierendes Element darstellen. Das heißt, Ihr braucht zwar nicht stolz darauf sein, zu den gefallenen Geistern zu gehören, denn diese Schöpfung hätte sich auch ohne diese Eskapaden in sinnvoller Weise entwickelt. Aber eure Erfahrung wird gebraucht. In den vollkommenen Welten wartet man auf Geister wie euch, die mit dieser Erfahrung der weiten Abweichung zurückkommen, die Probleme dort auch vermitteln und lehren können, wie die anderen sich dies alles ersparen können. So liegt noch eine sehr große und interessante Zeit vor euch, und dieser Fall wird euch in alle Ewigkeit in der Schöpfung zeichnen. Er wird euch aber nicht negativ zeichnen, denn dieser Begriff hat in harmonischen Welten keinen Bestand mehr, sondern er wird euch zeichnen als eine ganz stabile Persönlichkeitsstruktur. Und wieder ahnt Ihr die unendliche Größe Gottes. Durch das sehr weite Herausfallen gewisser Geistergruppen aus der Mitte, wird sich der Schöpfungsplan um so gezielter erfüllen.
Ja, ich bin froh, dass ich euch meine Gedanken geben durfte und hoffe, sie wachsen ein bisschen in euch. Für die kommende Zeit vermittle ich euch den Segen unseres Schöpfers, den wir alle brauchen, um unsere eigene Mitte in der großen Mitte der Schöpfung wieder zu finden.
Gott zum Gruß und Jesu Heil.